Theater: Heute ist ein guter Tag für eine Jagd

Ein Theaterstück aufgeführt von der BHC Jugend, geschrieben von Lilli Catherine Hoffmann (14) und Marina Guldimann (14)

Die Luft ist warm an diesem Tag. Es ist sonnig. Mitte Herbst, eine leichte Brise weht durch die hohen Eichen rund um den Stall. Ich höre viele verschiedene Geräusche, Vogelzwitschern, das sanfte Flüstern des Windes in den Blättern. Und dann sind da noch die anderen Geräusche. Die Vertrauten.  Das Bellen der Hunde, Der kühne Klang der Hörner. Das Schnauben und Wiehern meiner Freunde, ihr Trampeln und Scharren. Das Raunen der Leute, das Lachen, die aufgeregten Stimmen. All diese Geräusche nehme ich so glasklar wahr. Sie mischen sich zusammen und werden zu einem einzigen Lied. Dem Lied der Jagdreiterei. Alle stehen ruhig, fangen an sich zu bewegen, nur Pferd X bleibt still.

 

 

Jagdhorn spielt leise „Le point du jour“ 

Die Stimmung am Stall ist hektisch. Ich spüre die Aufregung. Ich spüre sie überall, sie ist beinahe greifbar. Sie liegt in der Luft wie ein Schleier, senkt sich herab auf jeden Einzelnen.  Schritte, Hufscharren, Gelächter. Menschen laufen hin und her, putzen uns, holen Sättel, bezahlen Capgeld, und trinken Mutwasser.

Ich stehe still da, probiere mich zu entspannen. Der Strick baumelt zwischen meinem Halfter und der eisernen Stange. Ich spüre wie sich die Nervosität der anderen Pferde langsam auch in meine Glieder schleicht. Gleichzeitig steigt aber auch die Vorfreude.

Es geht bald los. Ich merke es.
Wie die Anspannung mit jeder Minute wächst.

Pferde scharren, Menschen putzen, Hektik..

 

 

 

 

 

Pferd X wird unruhig. Scharrt mit den Hufen.
Der Rest friert ein.

Ich will los, ich will rennen, ich will – halt! War das nicht ein Jagdhorn? Endlich – die Hörner spielen das Signal zum Aufbruch.

Ein wenig aufgeregt trotte ich,- wie schon so viele Male,- auf den Platz.

Sand wirbelt auf als wir alle ein paar Runden drehen um uns aufzuwärmen, um die Anspannung abzuschütteln. Schließlich kommen wir zum Stehen. Wir haben uns alle um den Master versammelt. Ich habe ihn schon oft gesehen, schon oft beobachtet wie er redet. Ein paar wichtige Wörter sagt er, ich verstehe sie nicht. Wie denn auch?

Als er fertig gesprochen hat ruft er „Horrido!“  – so laut das man es bestimmt noch zwei Orte weiter hört – die Reiter antworten in der gleichen Lautstärke. „Joho!“  Ich hätte gerne mitgewiehrt. Ich habe diese Tradition schon oft beobachtet. Es scheint mir fast, als würden die Reiter damit ihre Anspannung vertreiben und ihre Abenteuerlust stärken wollen.

Anschließend kommen die Hunde auf den Platz und die Jagd geht los.

Wir Pferde reihen uns ein. Gesittet gehen wir zur ersten Schleppe. Es wird gelacht, geredet und auch schon ein bisschen Wasser aus Blechbüchsen getrunken.

Hörner spielen  „L`arrivée au rendez-vous“, alle frieren ein.

 

Pferde laufen im Halbkreis auf der Stelle 

 

Bernd tritt nach vorne, schaut ins Publikum schauend. ER redet stumm. Bewegt nur den Mund.

 

 

Bernd nimmt die Hand in die Luft

Pferde antworten und strecken ihre Faust ebenfalls in die Luft

Einzug Hunde, rennen um Hinnerk herum, springen an ihm hoch und finden sich nach einer kurzen Weile um Hinnerk herum ein.

 

Pferde reihen sich im Schritt auf, Sina ist vorgestellt

Heute ist ein guter Tag für eine Jagd. Das weiß ich. Ich spüre es tief in meinem Fundament, es strömt durch mein Blut und mein Jagdinstinkt flüstert es mir zu. Heute ist ein guter Tag für eine Jagd.  

 

Der Wald um mich herum ist dicht und undurchdringlich.

Ich beobachte Hinnerk wie er die Hunde zurück hält. Jeder seiner Bewegungen ist geübt und sicher. Ich beobachte auch die Hunde wie sie Hinnerk anstarren, nur darauf wartend los zu jagen. Ich beobachte die anderen Pferde. Und ich beobachte die Menschen, über uns, sehe wie manche von ihnen kreidebleich werden. Vor Angst? Ich weiß es nicht. Ich denke, wenn ich kein Pferd wäre, würde ich jetzt wahrscheinlich auch bleich werden. Komisch, dass sie bei so viel Angst nicht die Flucht ergreifen. Aber die Menschen sind eben keine Flucht-, sondern Suchttiere. Süchtig wonach eigentlich, nach Adrenalin?

Alle frieren für 5 Sekunden S I C H T B A R ein, dann bilden alle Reiter eine Reihe

Pferd X tritt vor, dreht seinen Kopf

Hinnerk schwingt die Whip, schaut ernst.

Pferd X im Mittelpunkt

Nur Sina und Hunde sind in Bewegung, der Rest ist  im freeze.

Doch jegliche Gedanken an die Farbe von irgendwelchen Gesichtern, verfliegen schnell als ich merke dass die Schleppe gelegt wird. Die Hunde bellen und die Pferde werden nervös. Ich kann nicht widerstehen: Für einen kurzen Moment stelle ich mich auf meine Hinterbeine, sofort spüre ich wie mein Reiter Schwierigkeiten hat sich im Sattel zu halten. Er versucht mich zu beruhigen, redet mir ruhig zu – aber ich muss gar nicht beruhigt werden! Ich muss doch nur los.

Und endlich ist es soweit: Ich habe kaum Zeit mich zu sortieren, da preschen die Pferde vor mir auch schon voran.  Ich sause los.

Die erste Schleppe geht durch einen dichten Kiefernwald.

  

 

Pferd X steigt

Pferd X schüttelt genervt den Kopf

Hunde rennen los, alle galoppieren hinterher.

 

Die Jagdgesellschaft galoppiert die ganze Zeit. 

Ich laufe. Ich bin wie geschaffen fürs Laufen. Wenn ich laufe könnte ich irgendwer sein, irgendwo sein. Mein Körper handelt – von einem uralten Instinkt getrieben. Er hat die Kontrolle – im Namen der Schnelligkeit! Alle reiten auf der Stelle GERADEAUS am Publikum entlang.
Wir schießen um eine Kurve –Der erste Sprung naht, ich erkenne seine Umrisse nur schemenhaft – ein Ochser.

Wuuusch!!

Die nächsten Schleppen versuche ich einfach zu genießen. Die Zeit rast genauso schnell an mir vorbei wie die Landschaft. Es ist als wäre ich in einem langen Tunnel, habe nur mein Ziel vor Augen. Ich galoppiere. Ich gebe alles, die Jagd ist anspruchsvoll. Doch schließlich habe ich den Letzten Sprung vor Augen. Nur noch diesen, dann ist es vorbei. Geschafft, vorüber. Es ist ein Graben.

 Sprung! Jeder springt nacheinander, Schnaubgeräusch

 

Die Jagdgesellschaft reitet auf der Stelle.

 

  

Alle frieren ein.

Ein Graben! Meine Augen weiten sich. Er kommt näher. Ich höre meinen eigenen Atem. Laut.

Gräben: der Alptraum eines jeden Pferdes. Jeder kennt die Gefahren die in Gräben lauern. Ich habe viele Geschichten gehört. Von Monstern und übergroßen Schlangen, die wildesten Raubtiere! Schweiß rinnt mir über die Flanke.

Nur noch 20 Schritte. Ich spüre das Wummern meines 5-Kilo-Herzens gegen meine Brust.

   10 Schritte.   Fühle wie das Blut durch meine Adern pumpt. Er pikst mich.

   7 Schritte. Ich sehe den dunklen Abgrund!

Er wirkt unüberwindbar, doch ist das nicht nur ein weiterer Ansporn?

5 Schritte. Soll ich es wagen? Ich kann es schaffen!

4… 3… 2… 1… STOP! Da ist es! Die Engländer hatten doch Recht, ein Monster, und was für eines!

Jetzt stehe ich da ganz alleine, 30 Hunde weit vorn, 30 Pferde weit weg – und das Monster dort im grünen Dunkel! Halb zieht es mich, was hält mich nur? Es geht nicht, es geht nicht, es wird nicht gehen – oder doch?

„Horrido!“ ruft ein Zuschauer von der anderen Seite des Grabens. Das rufen Sie immer. Auch überm Sprung. Also entschließe ich mich zu springen. Ich springe und lande elegant auf dem festen Boden der anderen Seite.

Alle schauen ins Publikum.

 

 

Pferd 1 springt.

 

Pferd 2 springt.

 

Pferd 3 springt.

 

 

 

Pferd X friert im Absprung ein 

 

 

 

Zuschauer Y bewegt den Mund

 

Pferd X erwacht aus seiner Starre, springt und landet

Der Graben bedeutet für mich das Ende einer wundervollen Jagd. Ich bin erschöpft und glücklich – und stolz auf meinen Mut. Alle frieren ein. Alle stellen sich müde im Halbkreis um die müde Meute.
Der Geruch des Curées ist grauenhaft. Nie im Leben würde ich so etwas fressen. Aber Hinnerks Hunde sind ganz scharf darauf.

Ich fresse lieber meinem Reiter den Bruch vom Revers. Ich kann nicht widerstehen. Er schimpft nicht. Er guckt mich an und lächelt. Für einen Moment habe ich das Gefühl, er könnte einfach in mich hineinsehen. Als würde er meine Zufriedenheit, meine Müdigkeit und meinen Hunger teilen.

Ganz sicher teilen wir die Freude an der Jagd. Wir sind ein starkes Team, mein Zweibeiner und ich – und all die anderen Zwei- und Vierbeiner vom BHC.

Wir sind das Team vom BHC! 3 x Horrido – Joho!

Zuschauer Y stellt sich unauffällig neben Pferd X.

 

Pferd X stupst den Bruch an.

 

Pferd und Reiter starren sich an

 

 

 

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